Australische Auswandererbriefe (1934)/9

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
GenWiki - Digitale Bibliothek
Der Heimat Bild“ - Australischen Auswandererbriefen nacherzählt von Walter Fläming
Inhalt
<<<Vorherige Seite
[8]
Nächste Seite>>>
[10]
Der Heimat Bild Flaeming 1934.djvu
unkorrigiert
Dieser Text wurde noch nicht korrekturgelesen und kann somit Fehler enthalten.

Jetzt segelten wir schon gegen Mittag. Am Oktober gab es dicken Reis mit Rosinen; das hat uns besonders gefreut, denn es war unseres kleinen Fritz' Geburtstag; und der Junge ißt Rosinen für sein Leben gerne. Am gleichen Tage sahen wir dann auch noch die ersten fliegenden Fische.

      Am Oktober erlebten wir ein starkes Gewitter auf hoher See. Das ist etwas Schauerlich-Schönes. Die Frauen und Kinder waren so in Angst, daß sie sich in die Bettkojen verkrochen. Aber manchem Mann ging es wohl auch nicht anders.

Linientaufe der Auswanderer

      Am 8. November passierten wir die Sonnenlinie. Da der Wind sehr günstig stand, war es eher kühl als warm. Am nächsten Tage gab es eine heitere Linientaufe. Die Matrosen waren schon vor Tau und Tag aus ihren Kojen. Heimtückisch hatten sie Eimer mit Wasser auf die Mastbäume gezogen. Gleich nach dem Kaffeetrinken verkleideten sie sich. Weil nun alle neugierig waren und aus Deck drängten, klatschte der erste nasse Guß von den Mastbäumen in den Haufen nieder, wo er am dichtesten war. Das war der Anfang vom Taufen. Nun war der Teufel los. Jeder suchte sich einen Eimer zum Gießen. Bald war die ganze Reisegesellschaft pitschnaß. Damit es auch keinen Augenblick un Wasser mangelte, bedienten zwei Mann ununterbrochen die Pumpe. Selbst der Kapitän und die Steuerleute bekamen ihr Teil. Nur Frauen, die stillten, und die Kinder wurden verschont. Es gab aber auch Zimperlieschen unter den jungen Mädchen. Die hatten sich versteckt. Aber sie wurden aufs Verdeck geholt und bekamen eine Extradusche. Mittags wurde endlich Einhalt geboten. Zur Feier dieses Tages bekam jede Koje zum Mittagessen eine Flasche Wein. Am Abend, der recht lustig zuging, gab es reichlich Glühwein und Grog, so daß sich manch einer die Nase ordentlich begoß.

      Am 20. November sah man schon die ersten Kaptauben, welche vom Kap der guten Hoffnung kamen. Am nächsten Tag sahen wir gewaltige, 25-30 Fuß lange Fische. Zwei Tage später begegneten uns ganze Herden von Sturmvögeln, wie wilde Tauben gestaltet. Obgleich der Tag schön und heiter war, so folgte doch bald Sturm. Jetzt wurde die Luft rauh und kalt; und die Tage wurden wieder länger, denn über die Linie der Tag- und Nachtgleiche waren wir längst hinweg. Am 8. Dezember sahen wir links ein Gebirge, mit Holz bestanden und mit Schnee bedeckt. Hier war nun der Tag schon Stunden lang. Bis zum 20. Dezember fielen fortwährend Schnee, Eis und Hagel auf das Deck. Dann wurde es gelinder. Die Tage wurden wieder kürzer. Wir steuerten gegen Morgen, zuletzt sogar etwas nördlich. Am 24. Dezember, also am Weihnachtsheiligabend, bekamen wir als Weihnachtsgeschenk Kartoffeln und Hering, und nach dem Abendbrot so reichlich Glühwein und Grog, daß die Angeheiterten die ganze Nacht hindurch skandalierten. Die beiden Feiertage über war ausnehmend schönes Wetter. Am 30. Dezember sahen wir endlich die Insel Kangoroo, Südaustralien vorgelagert. Um 19 Uhr hatten wir sie erreicht. Eine Stunde später trat Windstille bis zum Januar ein. Als wir gegen 11 Uhr guten Wind erhaschten, kam uns der Lotse entgegen. Nun konnten wir auch die Schiffe vor Port Adelaide sehen und dachten, gleich heranzukommen; aber nein, es wurde hier geankert. Alle Segler werden von Dampfschiffen in den Hafengezogen. Da lagen fünf große Hamburger Schiffe, denen die Matrosen entlaufen waren. Zunächst ging nur der Kapitän an Land. Am Januar schickte er uns frisches Rindfleisch an Bord. Unser Steuermann hatte schon Bohnen und gepökeltes Schweinefleisch austeilen lassen. Aber die Bohnen waren nur halb gar gekocht und wurden sogleich in die See geschüttet; das Schweinefleisch wurde ausgeteilt.

      Weil der Kapitän befürchtete, seine Besatzung würde ihm entlaufen, so ließ er das Schiff nicht in den Hafen. Er hatte vielmehr ein kleines Segelschiff gedungen, welches am 5. Januar kam, uns abzuholen.