Australische Auswandererbriefe (1934)/32

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Der Heimat Bild“ - Australischen Auswandererbriefen nacherzählt von Walter Fläming
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Umstände verschwinden, und ihr begegnet dem gleichen Mann zwei knappe Jahre daraus mit schneidigem Gespann stadtwärts traben, so könnt ihr Gift darauf nehmen, daß das ein Deutscher ist. Und so was schiebt man ab; und das übrige lodderige Packzeug verhätschelt und verpäppelt man.

      Die australischen Grenzen sind nun gegen jede andere als englische Einwanderung gesperrt. Das ist auch so eine Segnung des Krieges. Es mag notwendig sein, um den Lebensstandard hier nicht noch unerträglicher zu machen. Ja, wir haben in den großen Städten schon Arbeitslose genug, die nach Brot schreien. Aber eine Gemeinheit ist es doch, daß ein Staat, der den Deutschen so viel verdankt, gegen die deutsche Einwanderung Sondergesetze herausbringen will, die den vollwertigen Deutschen mit dem minderwertigsten gelben Kuli auf die gleiche Stufe stellt. Ewig kann so ein Zustand nicht dauern. Sind einmal die Grenzen wieder offen, dann kommt ein Teil der Abgeschobenen bestimmt zurück. Der macht dann aber die Ellbogen breit; und wehe dem, der ihnen dann noch den Weg nach oben versperren will. Die Jungens haben den Teufel im Leib.

      Ich sehe in der zwangsläufigen Zurückverfrachtung vor allem aber einen schweren Schlag gegen das Deutschtum, dessen Ueberlieferung wir Nachkommen der Altkolonisten wahren wollen. Jetzt wächst nun schon die vierte Generation derer heran, die um 1850 hier neu siedelten. Da könnt Ihr Euch denken, daß so manches schon absplitterte. Nicht alle haben ihr deutsches Blut so untadelig halten können wie wir. Wir hatten besonderes Glück und dunken dem Himmel dafür. Darum ist es ständig nötig, Nachschub aus der Väter Heimat zu kriegen. Das erinnert, das ermuntert, das frischt Altes, schon fast Vergessenes auf. Seht, darum - um unseres Deutschtums im Auslande willen, brauchen wir Jungblut deutschen Stammes!

      Das ist um so nötiger auch deshalb, weil man uns von Staats wegen unsere deutschen Schulen schloß. Nun ist die deutsche Familie in Südaustralien allein die Pflegstätte deutschem Sprache und deutscher Kultur; und darum: vergeßt Ihr da drüben trotz all Eurer schweren Not nicht uns in der Ferne. Wir sind ja Brüder eines Blutes!

Rückkehr zu Vernunft!

den 14. Oktober 1929.

Liebe Onkels und Tanten! Liebe Vettern und Basen!

      Fünf Jahre bin ich nun auch schon verheiratet. Meine Frau ist ein lichtblondes Käthchen vom Rhein; und unser Mädel, die kleine Marie, ist ganz ihr Ebenbild. Vater ist nun bald an die achtzig, aber noch sehr rüstig. Wenn mal vom Sterben die Rede ist, dann macht er noch immer seinen Witz von unserm Großvater her. Das war wohl so. Der alte Taege auf dem Hof in Paplitz, wo Großmutter diente, war hoch in die Achtzig hinein. Sein ganzer Ehrgeiz war es, der Aelteste im Dorfe zu werden. Das hat er denn auch geschafft. Großmutter sagte: Aber bloß, weil er jeden Morgen einen kleinen Trog voll Mehlsuppe ausschlabberte. Dann aber ließ die Sterbestunde doch zu lange auf sich warten; dann jammerte er immer: „Ick gloobe, olle Petrus hätt int grote Buk all mienen Noamen ut'estraeken un verjäeten, den lieben Herrgott tue seggen, dät he mi affruept!“ So spricht unser Vater nun in Australien genau. Es gibt also scheinbar keine Grenzen für Raum und Zeit. Ich habe recht behalten - seit 1926 sind die Grenzen auch für deutsche Einwanderer wieder offen. Das buche ich: Zurück zur Vernunft!

      Doch möchte ich keinem, der nicht die nötige Spannkraft und das nötige Geld hat, raten, hierherzukommen. Energie wird hier ebenso groß geschrieben wie Monney. Australien ist nicht mehr das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. Es ist auch augenblicklich nicht das „Land von morgen“. Wir haben hier wohl noch einen Teil Nacht und eine lange Dämmerung zu überwinden, ehe uns die Gnadensonne eines aussichtsreichen Zukunftsmorgens entgegenlacht.