Australische Auswandererbriefe (1934)/21

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Der Heimat Bild“ - Australischen Auswandererbriefen nacherzählt von Walter Fläming
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Der Heimat Bild Flaeming 1934.djvu
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      Überhaupt hat man vor uns Deutschen nach 1871 noch mehr Respekt als vordem schon. Bei uns hier auf den Farmen halten wir den deutschen Namen hoch. Es ist in unsern Häusern Sitte, nur deutsch zu sprechen. Bloß wenn mal Gäste da sind, reden wir englisch. Mit einem aber hapert es: die Kinder lernen zwar in der Schule hochdeutsch reden; aber unser Paplitzer und Tucheimer Platt mögen sie nicht recht. Das schnacken nur noch wir Alten; dann stehen die Kinder dabei, sperren Mund und Nase auf und grieflachen hämisch. Unser Kantor, der sich alle Mühe gibt, meint, es ist eigentlich jammerschade, daß das nicht in die Kinder hineinzukriegen ist. Er tröstet sich aber damit: es ist schon viel wert, daß wir Deutschen so bei der Stange geblieben sind und doch wenigstens das Hochdeutsche lehren. Gibt es denn keine Bücher up Jerichausch Platt? Ick meene so wekke, wie Fritze Reuter for sine Meckelborjer eschräewen hätt? Dann wäre wos zu machen, meint der Kantor. Zwischen lauter Engländern seine Muttersprache zu behalten, das stellt Euch mal nicht so einfach vor. Seht, da sind hier auch ein paar schwedische und eine dänische Familie. Die sind erst 7 Jahre hier, aber da hörst Du kein Wort schwedisch oder dänisch mehr. Die haben ihre Sprache gewechselt, wie man ein Hemd wechselt. Wer bei uns hier - und auf 50 Meilen in die Runde nennen sie uns noch die „Tucheimer" - als Nichtdeutscher Geschäfte machen will, muß mit uns deutsch reden. Und kann er es nicht, muß er wenigstens so tun, als gäbe er sich Mühe, es zu lernen. Da sind wir nun einmal ohne Erbarmen; und das wissen die Auskäufer und Belieferer ganz genau. So wollen wir ruhig in ihren Augen Square-head sein, wo Deutschlands Name in aller Welt so zu Ehren gekommen ist.

      Ja, Du hast schon recht, lieber Bruder, nun kommen wir auch ins alte Register. So bin ich ja noch ganz mobil, bloß der Kopf wird schon grau. Marie, meine Frau, sieht klappriger aus, als sie wirklich ist. Weißt Du, das ist Paplitzsches Erbteil, daß sie so windschief in den Schultern versackt ist. Die Quälerei in den ersten Jahren hier ist gar zu groß gewesen. Das spürt man nun doch in den Knochen. Jetzt hat sie es ja ein bißchen leichter, denn Marie und Emilie, unsere beiden Mädel von und 15 Jahren, nehmen ihr schon ein tüchtiges Teil Arbeit ab. Aber, wenn wir ihr am Tage zureden wollen, sich ein bißchen mit dem Knüttetüg zu verlustieren, dann wird sie böse und jagt uns allesamt mit einem Scheit Feuerholz davon. Denn sie ist ja noch so jung.

      Wie unser Hof jetzt aussteht, möchtest Du gern wissen? Da hat ich in den letzten Jahren so ziemlich alles geändert. Ich habe noch Glück gehabt, daß die Neukolonisten nicht so arg auf unsere Ecke hier versessen waren. So habe ich nach und nach über 800 Acker Land zusammengebracht. Das ist etwa 2/3 soviel wie das Vorwerk Gehlsdorf unter bem Pflug hat. Es liegt immer noch rings ums Haus herum; sogar ein ganzes Stück urwüchsiges Weideland ist noch in der Nähe. So groß wie der halbe Fiener. Da ist für die Zukunft noch was zu machen. Allen Grund nutze ich als Acker. Das Rindvieh - vorige Weihnachten, nachdem wir an die 70 Rinder verkauft hatten - waren es noch an die 450 Haupt aller Arten. Schweine haben wir jetzt nur an die 20 Stück, aber die Hühner können die Mädchen kaum zählen. Mit Schafen gebe ich mich nicht ab. Dazu eignet sich die Gegend nicht.

      Jetzt haben wir nun schon das dritte Wohnhaus Das alte Blockhaus, das wir Anno 1854, ein Jahr nach unserer Ankunft, hier bauten, steht noch. Da haben wir eine Querwand herausschnitten und innen ein paar Stützpfosten unter das Dach gestellt. Nun tut es als Notstall für krankes Vieh seinen Dienst. Denn wir machen es nicht so wie manche englischen Farmer; die sondern ihre kranken Tiere von der großen Herde ab und überlassen sie dann ihrem Schicksal. So eine Kreatur ist doch auch aus Gottes Hand; davor muß man doch Achtung und ein wenig Herz haben.