Australische Auswandererbriefe (1934)/13

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Der Heimat Bild“ - Australischen Auswandererbriefen nacherzählt von Walter Fläming
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Der Heimat Bild Flaeming 1934.djvu
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„Man merkt es, daß du in Paplitz in die Schule gegangen bist. Rechnen kannst du, und zwar nicht schlecht.“ So ist unser alter Paplitzer Kantor in Südaustralien zu Ehren gekommen; seht, so klein ist diese große Welt. Aber sie wollten beide damit sagen, es ist richtig und für Australien doppelt angebracht, recht vorsichtig zu kalkulieren. August Hoffmann, der Schlesier, macht jetzt seine zwölfte Ernte hier; der rechnet bestimmt mit dem 20- bis 22fälligen Korn. Habe ich gleiches Glück, kann ich schon nach der Erntezeit Sektionen dazu pachten. Dann allerdings brauche ich schon eine Farmhand; aber das ist gleich, wir hätten ja dann Pfunde genug, den landesüblichen Lohn zu zahlen.

      Erbsen baut man hier wenig; Flachs gar nicht. Darum hätten wir getrost unsere Spinnräder zu Hause lassen können. Jetzt stehen sie uns nur im Wege. Aber Marie, meine Frau, meint, wir wollen sie doch aufheben. Ich weiß schon, an ihrem Wockenband hängen zu viele schöne Jugend- und Heimaterinnerungen. Mir sagt sie, es sei darum, daß sonst die Kinder die Märchen von Dornröschen und den drei Spinnerinnen nie verstehen würden. Leineweber müßten also hier elenden Hungertodes sterben.

      Es gibt hier in den guten Jahren Ernten, von denen Ihr Euch keinen Begriff machen könnt. Die ungeheuren Kornmassen wandern alle in die Städte und in die Golddiggins. Und da von Woche zu Woche das Goldfieber immer mehr Menschen hierher zieht, würde das Brotgetreide trotzdem mit Gold aufgewogen werden müssen, wenn nicht auch regelmäßig Kornschiffe aus anderen Ländern in Melbourne, Sydney und Port Adelaide einliefen. Seht, so machen wir im Goldlande auch Gold, aber mit dem Pflug.

      Mit dem Klima hier muß man sich erst zurechtfinden. Es ist, gegen Deutschland gehalten, doch die verkehrte Welt. Als wir in das Land kamen, hatten wir einen schlechten Augenblick erwischt und erschraken tüchtig. Alles war weiß und dürre, bloß die Gartenfrüchte und Bäume waren grün. Die wilden australischen Bäume bleiben immer grün. Die Obstbäume verlieren im Mai ihre Blätter und brechen im September wieder auf. Mit den Jahreszeiten ist es hier ganz und gar verdreht. Im Sommer, der vom Dezember bis März reicht, ist das Gras meistens trocken. In den anderen Monaten, selbst im Winter, wird alles grün und lebhaft.

      Darum schreit in dieser verkehrten Welt auch der Kuckuck des Nachts und die Eule am Tage; aber das braucht Ihr nun nicht wörtlich zu nehmen. Der Sommer ist hier sehr heiß, hauptsächlich aber die Zeit nach Weihnachten. Dieses Jahr hat es in der Dreschzeit gar nicht geregnet, obwohl es manche Nacht gewitterte. Statt des Winters mit Eis und Schnee kennt man hier nur ab und zu Nachtreif und oft Regen. Jetzt, im September, ist das Land überaus schön anzusehen. Rings um unser Haus ist alles hübsch grün. Und da unser Acker rings ums Haus liegt, kann man sogar zum Mittagessen zu Hause sein. Da braucht die Frau nicht mit dem Essentopf erst eine Stunde zu laufen wie bei Euch. Da haben wir keine weiten Wege und vertrödeln damit nicht die Zeit und können gleich zu arbeiten anfangen. So etwas Aehnliches hat ja bei Euch die Flurseparation mit der Zusammenlegung der Feldpläne vorgehabt. Und Ihr habt damals gebrummelt und gebrabbelt. Und dem Schulzen Taege sein Vater ist sogar mit der Wagenrunge gegen die Bonitierungskommission losgegangen. Jetzt werdet Ihr wohl doch schon einen andern Glauben von dem Ding gekriegt haben. Das Land ist alles eingefenzt, das heißt eingegattert. Hier werden dicke Bäume zu Pfosten und Stangen geschnitten, die Pfosten die Stangen 9 Fuß lang. Erst sprengen wir die Bolzen; dazu nehmen wir Pulver. Das schadet hier nichts. Da kommt nicht gleich der Gensdarm gelaufen wenn es mal knallt, denn Revolution wie Anno 1848 in Preußen machen wir hier nicht. Danach spaltet man die Bolzen mit dm eisernen Keil. Jedes Rick wird mit 2 oder 3 Stangen in die Erde eingesetzt.