Australische Auswandererbriefe (1934)/10

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Der Heimat Bild“ - Australischen Auswandererbriefen nacherzählt von Walter Fläming
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Der Heimat Bild Flaeming 1934.djvu
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Gleich wurden alle unsere Sachen übergenommen. Am Abend ging der kleine Segler ohne uns einige hundert Schritt zurück, um zu ankern. Den andern Morgen sollten wir eingeladen werden, aber wegen absoluter Windstille konnten die Schiffe nicht aneinander herankommen. So schickte nun der englische Kapitän vier Matrosen mit einem langen Tau in kleinen Booten nach unserm Schiff, um sich heranzuwinden. Ihnen zu helfen, schickte unser Kapitän vier von seinen Leuten entgegen. Die aber gingen hinter ihnen weg, schnitten ihnen das Tau unter Wasser durch und eilten dem Lande zu. Der Kapitän ließ sosort eine Signalfahne hissen, daß sie im Port sehen sollten, daß hier etwas passiert wäre. Er ließ auch sogleich die Kästen der Matrosen nachsehen und fand drei von ihnen ganz leer; nur der eine der Entflohenen hatte sein Zeug in Stich gelassen.

      Mit der Zeit kam das kleine Schiff heran. Um 2 Uhr saßen wir endlich alle darauf. Dann kam auch gleich ein Dampfer und schleppte uns in den Hafen von Port Adelaide, wo wir um 4 Uhr ankamen. Jetzt hatten wir endlich wieder festen Boden unter den Füßen.

      Grüßt mir Gottfried Jerichow aus Paplitz. Er wird sich besinnen, daß er zu mir vor der Abreise sagte, er fürchte sich vor der Langenweile auf dem Wasser. Das stellt Euch nicht so schlimm vor. Mir ist die Zeit vergangen, als wären die Wochen nur Tage gewesen. Wo so viele aus den verschiedensten Gegenden beieinander sind, du gibt es genug zu klöhnen. Auch wurde den ganzen Tag über ans Deck geraucht und Karte gespielt. Und wenn er reichlich selbstgebauten Knaster und Priem mitnimmt, hält er es schon aus. Wenn der Koch zum Essen rief, war es allen immer noch viel zu früh. In der kalten Gegend schliefen wir meist bis Mittag. Viele tranken ihren Kaffee im Bett. Ordentlich vornehm kam man sich vor. So etwas ist uns in Deutschland denn doch nie geboten worden. Und was für Einwände habe ich in der Heimat besonders von den alten Leuten gehört. Sie wollten lieber erleben, daß man ihre Kinder im Dorfe auf den Kirchhof trüge, als daß sie nach Australien gingen. Ist es schließlich nicht ganz einerlei, ob man in Paplitz begraben wird oder hier oder schon auf der Reife ins Waffer gesenkt wird. Haben uns Pastor und Kantor daheim nicht immer gelehrt, daß all unser Schicksal in Gottes Hand ruht? Wieder andere meinten, sie wollten lieber ihre Kinder in Unglück und Plage bei sich wohnen haben, als daß sie sie hierher in das freie Land Australien ziehen ließen. Andere wieder sprachen, man könne den Briefen nicht glauben, die die Tucheimer in die Heimat sandten. Sie würden nach ein und demselben Muster abgeschrieben. Als damals die Allerersten, die mit dem Schuster Wagner hinübergingen, ihre geliehenen Gelder nach so kurzer Zeit zurückzahlten meinte man, das Geld stamme von den Schiffsreedern, die damit nur noch mehr Schiffsgäste herbeiziehen wollten. Das ist törichtes Gerede. Ich hube es ja mit eigenen Augen gesehen. in Hamburg strömen so viele Auswanderer zusammen, daß sie kaum fortzubringen sind. An solche Lapalien denkt man hier gar nicht.

      Eigentlich könnte ich mit solchen Befürchtungen und Vermutungen ein ganzes Buch voll schreiben. Und doch würde noch so munches fehlen; denn ebenso wenig wie man den ersten Tucheimern ihre Schreibereien glaubt, würde man mir Glauben schenken. Wer solchen Torheiten und Albernheiten Glauben schenkt, soll das Auswandern aufstecken, damit er sich nicht selbst betrügt. Schon wenn es in der Nordsee mit der Seekrankheit anfängt, geht es los: ach wäre ich doch in Deutschland geblieben! Ist aber die Uebelkeit überwunden, so lacht man wieder mit den andern. Mich hat die Seekrankheit auch tüchtig gepackt; aber ich habe nie zurück, sondern immer vorwärts gedacht. Und das hilft denn auch ganz sicher.