Altenbergen (Marienmünster), Der Große Krieg

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Hierarchie: Altenbergen (Marienmünster)


Der Große Krieg (1914-1918)

Abschrift aus der Schulchronik Altenbergen

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1914. Kapitel I.

I.

Januar: Mit -13° (Grad Celsius) beginnt der Januar uns sich als Hartung zu zeigen. Wintersport ist für diese Jahr ein Begriff tieferer Bedeutung als in den Vorjahren. -
Am 18. J.(anuar) veranstalte der Männergesangverein Urania eine theatralische Auführung im Hause des Landwirts Pothast (Pellen).

Februar und März brachten abwechselnd warme und kalte Nächte.

April war auffallend warm, das Thermometer soll in der Sonne mittags 26° gezeigt haben. -

Die Winterfrucht ist durch die Mäuse und die grimmige Kälte bei unbedeckter Erde zerstört. Ganze Felder werden neu bestellt. Aber auch die neue Saat scheint wegen anhaltender Trockenheit zu mißlingen.

Mai, Juni, Juli: Fruchtbares Wetter, abwechselnd Regen und Sonnenschein. Am 4. Juli Gewitter mit etwas Hagel, der jedoch keinen Schaden anrichtet. - Am 5-7 Juli wurde das Schützenfest gefeiert. Schützenkönig wurde Johann Reker, Landwirt.

Am 28. Juni wurde Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich nebst seiner Gemahlin durch den bosnisch-serbischen

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Studenten Princip (19 Jahre alt) ermordet. Der Bursche, der im Dienste großserbischer Propaganda stand, feuerte in Sarajevo, wo der Erzherzog gelegentlich der Mannöver als Oberkommandeur der österr. Ungar. Armee weilte, die tödlichen Kugeln auf das hohe Paar. Beide verschieden nach kurzer Zeit auf der Fahrt zum Konak. Es folgt nun die Untersuchung, die die serb. Propaganda, die auch regierungsseits geduldet, wenn nicht gar unterstützt wurde blosstellte. Am 23. Juli folgt die österreiche Note, die Genugtuung des Verbrechens und Unterdrückung der großserb. Agitation fordert. - Serbien antwortet nach 48stünd. Ultimatum: „Unannehmbar!“ Mobilmachung der österr.-ungar. Armee am 26. Juli. - Kriegserklärung am 29. Juli.- Rußland rüstet indes im Stillen an der österr. und deutschen Grenzen, während es äußerlich den friedliebenden zu Vermittlungen allzeit bereiten Freund Serbiens spielte. -

Mobilmachung der deutschen Armee – Bekanntgebung Samstag, den 1. August, nachmittags 6 Uhr. Erster Mobilmachungstag ist der 2. August. -

Die Tage der Mobilmachung in unserer Gemeinde.

1. August

Bekanntgebung. Abends 7 Uhr kam der Amtssekretär Jansen-Voerden mit der Botschaft. 7½ Uhr wurde die Mobilmachung durch Ortsschelle bekantgegeben: „Eine schwere Stunde ist über Deutschland hereingebrochen.“

Überall stehen besorgte Mütter zusammen.- Doch unserer Jugend ergreift freudiger Jubel. Nachts ½ 12 Uhr bei dem Schein einer Stallaterne [werden weitere Verordnung] wird der Wortlaut der Mobilmachungsordre bekannt gegeben im Auftrage des Polizeidieners durch Anton Nüsse=Altenbergen, der mit Stentorstimme die Kaiserlichen Worte ins Dunkel der Nacht hineinrief.

2. August: Sonntag: Morgens um 6 Uhr wird bekanntgegeben, daß die militärtauglichen Pferde Montag um 7 Uhr

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in Nieheim sein müssen. Im Verlauf des Tages werden die Fahrpläne der Sonderzüge bekanntgegeben durch Anschlag am Spritzenhaus und an der Linde am Kirchhof. Erregung überall. Die auswärtigen Arbeiter und Dienstboten kehren in die Heimat zurück, die uns weltfremden Dörflern über den Betrieb auf den Bahnen und in den Städten (berichten) Wundermären berichten.- Jeder ist nunmehr ein scharfer Politiker geworden, der seine Wut gegen die Moskowiter und Franzosen Luft macht. Die wehrpflichtige Jugend ist heiterer Dinge, mit der fröhlichsten Mine unterhalten sie sich über die Ereignisse der vergangenen und kommenden Tage.- Die Pässe werden eifrig studiert und ein Familienvater, der bereits die schwersten Sorgen um das Heil seiner Familie äußerte, entdeckte unter meiner Beihilfe pötzlich, daß er seit 3 Jahren bereits dem Landsturm angehörte: „Äch“, sagte er, „ick wör owers duoch näü mol giäne metgon.“ - „Juiegens“, sagt ein alter Veteran, „bleiwet immer bim grötsten Truppe went läige wät!“ Kriegsereignisse von 1864 – 66 – 70/71 werden allenthalben aufgefrischt. - Fast alle Wehrpflichtigen empfingen am heutigen Morgen die hl. Sakramente. - Eine Frau lief ihrem Sohne, der bereits am Samstag eingezogen wurde, mit der Kaffeetasse bis zum Besseborn nach und rief immer: „N. erwäck owers Reue!“ Antwort: „Ais de Russen mores lären, dann küwet de Reue bi ienen ganz vun sülves!“ -

3. August:

Morgens ½ 5 Uhr werden 6 Reservisten nach Brakel gebracht. Der Tag verläuft sehr ruhig.- Die Leute haben vollauf mit den Erntearbeiten zu tun. - Amtliche Meldungen: Französische Truppen überschreiten im Elsaß ca. 10km weit die deutsche Grenze und besetzen die Ortschaften Gottesthal, Metzeral, Markisch und den Schuchtpaß(?). Frankreich, das sich bis heute nicht im Kriegszustande befindet, handelt hiermit entgegen dem Völkerrecht und eröffnet die Feindseligkeiten. - Der russische Botschafter verläßt Berlin. Kalisch wird von deutschen Truppen besetzt.

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Des Abends kommt von Voerden per Eilbote die Nachricht: „Französische Flieger in Sicht, der warscheinlich in der Gegend von Voerden landen werde.“ Es wurde daher amtlicherseits angeordnet, daß für den Abend und die kommende Nacht Wachen aufgestellt wueden. A. Stellte drei Doppelposten mit schußfert. Waffen an der Voerdener Straße beim Hause des Schneidermeisters Fischer, bei der „Adams“ Kapelle ind an der Chaussee nach Ovenhausen. Die angekündigten Flieger sind nicht gesichtet worden.

4. August; Dienstag. 3 Reservisten werden eingezogen.-

Wegen des ausgedehnten Spionagenetzes der Russen und Franzosen wird amtlicherseits angeordnet, daß bei Tag und Nacht Wachen auszustellen sind, An den drei genannten Stellen stehen deshalb ständige Posten, Mitglieder des Krieger- und Schützenvereins, die alle 2 Stunden abgelöst werden. In der Nacht wird in Ovenhausen ein Eingesessener von einem Posten erschossen, der den Posten im Scherz zu erschrecken suchte und auf den Ruf der Wache nicht stand. Im allgemeinen Kriegstrubel findet der Fall wenig Beachtung, der Wert des Menschenlebens ist wie russische Wertpapiere regide gesunken. - Besonders aufregende Nachrichten treffen nicht ein. Reichstagssitzung!

5. August: Mittwoch: Meldung matlicherseits: 25 Autos mit franz. Offizieren sollen auf dem Harz und Solling verteilt sein. Ebenso sollen sich bei Deutz 25 franz. Offiziere über Deutschland verteilt haben. Und nach Rußland durchzukommen versuchen um 200000000 M(ark) Gold nach R.(ußland) zu bringen.- Deshalb müssen alle Autos und Radfahrer von den Posten angehalten werden; wie überhaupt alle verdächtigen Personen nach ihren Ausweispapieren zu fragen sind.

Nachmittags trifft die Meldung ein: England hat den Krieg an Deutschland erklärt, da Deutschland Belgiens Neutralität gebrochen hat. Siehe Beilage!

6. August: Donnerstag: Gerüchte von italienischer Kriegserklärung, die amtlich nicht bestätigt werden. Im Gegenteil, Italien proklamiert seine Neutralität. - 2 Resevisten fahren ab. Grenzplänkeleien mit den Russen.

Amtl. Meldung: Soldau: „Eine russ. Kavallerie Brigarde unter deutschem Feuer zusammengebrochen.“

[Anlage verschiedener Zeitungsausschnitte]


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7. August: 1 Landwehrmann fährt ab. - Durch Steinheim kam ein Transport gefangener Franzosen von ca. 1000 Mann, die nach Magdeburg befördert werden. Es gehen Gerüchte um, von einem heftigen Kampfe an der franz. Grenze, die indes nicht bestätigt sind.

Schule: Am 6. August beginnen schon die Ferien wegen der außerodentlichen Kriegslage, damit die Kinder zu den dringenden Erntearbeiten verwendet werden können. Durch Verfügung des Landrats sind die Schulen vorläufig auf 4 Wochen geschlossen. Eine große Anzahl Lehrer steht im Felde. [Dieser Passus ist zweimal schräg durchgestrichen!]

Am 10. August ist die Mobilmachung der Reserve und der Landwehr I beendet. Es folgten jetzt durch besonderen Befehl einberufenen Mannschaften der Landwehr II.

Inzwischen hat unserer tapfere Truppe unter der Führung des G.-Obersten Emmich die Festung Lüttich genommen. Es folgten jetzt fast täglich Siegesnachrichten über die Einzelheiten noch fehlen. Der Vormarsch unserer Truppen, - rechter Flügel – nach Frankreich ist gelungen, Namur genommen – Brüssel besetzt; während die mittleren Armeen unter den Kronprinzen von Bayern u. Württemberg den Einfall im Elsaß u. Lothringen durch äußerst blutige Schlachten zurückwiesen. (Schlacht in Lothringen) So stehen unsere Truppen an der Marne und während ich diese Zeilen niederschreibe, werden vor Paris unsere Tapferen die Entscheidung über Frankreichs Geschick führen.

Möge das Blut dieser Söhne unseres Vaterlandes nicht fruchtlos Feindesboden tränken.

Aus unsrerGemeinde stehen ca. 50 Krieger im Felde, was ca. 1/7 der Bevölkerung ausmacht.

Den Heldentot fürs Vaterland soll am 28/8 der Musketier Wilh. Matheus 10. Comp. Inf. Reg 158, Sohn der Wwe. Matheus sowie Res. Heinrich Finke ebenda 10. Comp. Inf. Reg 158 Sohn der Wwe. Finke gestorben sein.

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Verwundet sind bis zum 10. Sept. gemeldet.

Res. Anton Köhne (Adams)
Musk. Jos. Glahce (Straßburg)
Musk. Heinr. Grothe (Mörlingen)

Möge Gott den beiden in Frankreichs od.(er) Belgiens Erde Ruhenden für die heiligsten Güter der Nation gefallenen Brüder den ewigen Frieden geben! 15/9.14.

Am 30. August fand in der Schule eine durch den Herrn Vorsteher Unverzagt (einberufenen) Versammlung im Interesse des Roten Kreuzes statt, für die ich ein kleines Referat übernommen hatte. Es wurde die vom Ortskomitee des Roten Kreuzes (Vorsteher Unverzagt, Landwirt Meyer, Lehrer Hilgenkamp) abzuhaltende Hauskollekte angekündigt und den Anwesenden über die Art der Spenden Winke gegeben.

Die Sammlung ergab in der kleinen 350 Seelen zählenden Gemeinde an

Bargeld: 510 M
Hemden: 90 Stück
Bettücher: 52 Stück
Strümpfe bzw. Garn 50 Paar

sowie diverse Kleidungsstücke und Victualien.

Wahrlich ein Opfer auf dem Altare des Vaterlandes das gewiß der alggemeinen Begeisterung entspricht. Keine Familien gab unter 2 M. Gott lohne es!

Von einem Siegesgeläute mußte auf Anordnung des Herrn Pfarrers abgesehen werden, der solches angesichts der Papsttrauer und der spät eintreffenden Siegesnachrichten nicht für angebracht hält.

Am Sedantage indes mußte auf Anordnung des Herrn Landrat ¼ Stunde mit allen Glocken geläutet werden.

Am Dienstag, den 15.9. traf bei der Ww. Matheus hierselbst folgendes Telegramm ein:

Musketier Wilh. Matheus im Gefecht bei Origny am 30.8. gefallen. Schuß in den Unterleib. Nach 2 Stunden auf dem Verbandsplatze gestorben.

Oelbermann

Hauptmann 8. Kompagniechef

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Dank des prächtigen Erntewetters ist alles Getreide wohl geborgen. Der Erntertrag ist hier befriedigend.

Augenblicklich beginnt mann allgemein mit dem Ausgraben der Kartoffeln.- Unsere Gemeinde wird voraussichtlich keinen Hunger zu leiden haben. - Viehpreise sind außerordentlich gesunken. So sollen auf dem zu Anfang Sept. abgehaltenen Markt zu Willbassen (Lippe) 5 Wochen alte Ferkel zu 1,50 M. Angeboten sein.

Bis zum 15. Oktober starben weiter folgende Altenberger den Heldentod fürs Vaterland: Resevist Hubert Obecken, Resevist Hubert Voß (Adoptivkind der Wwe. Cröger hier) und Anton Hoppe, sodaß wir bis heute in unserer Gemeinde 5 Gefallene zu betrauern haben.

Anfang September wurde in unserer Gemeinde ein Fuder Kartoffeln und Äpfel gesammelt für die Verwundeten des kathol. Krankenhauses in Höxter. Eine gleichzeitige Geldsammlung für die Verpflegung durchfahrender Verwunderter am Bahnhof Höxter ergab 105,55 M. Von den Mädchen des Dorfes sind sodann unter Leitung des Fräulein Lehrerin Rüschenberg 25 Paar Strümpfe gestrickt. -

Der Herbst war im allgemeinen feucht-neblig. In der Nacht vom 14. auf den 15. November fiel der erste Schnee, der sich aber nicht hielt. In der Nacht vom 17. zum 18. November setzte starker Nachtfrost mit ca -4°C. (ein). - Die junge Saat steht gut, hat indes streckenweise unter Schneckenfraß zu leiden. Im Dorf mangelt es ab und zu schon am nötigen Petroleum, sodaß die Tagespolitik am knisternden Feuer in der Dunkelheit der langen Abenden zur Unterhaltung gelangt. Brot und Brötchen werden kleiner; (in Altenbergen verhältnismäßig wenig) Korn teurer! Gerste 23 M, Roggen 23 M, Weizen 25 M.

Ende November sowie den ganzen Monat Dezember herrscht milde Witterung vor; nur an den Weihnachtstagen traten geringe Nachtfröste ein -3° C. Im Laufe dieser Zeit starben von den Kriegern unserer Gemeinde folgenden beiden den Heldentod

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fürs Vaterland: Jos. Reineke u. Martin Hoppe, letzterer in den heftigen Kämpfen Anfang Dezember am Yserkanal bei Dixmuide, nachdem sein Bruder Anton Hoppe ihm ca. 6 Wochen im Tode vorangegangen war. Von R. ist eine gewisse Nachricht nicht zu erhalten. Er wird unter dem 28. Sept. als schwerverwundet aufgezeichnet, seitdem ist keine Spur von ihm mehr aufzutreiben.

Am 3. Dezember fand in Höxter die Aushebung der ungedienten Landsturmmannschaften, der Jahrgänge 1889 bis 1894 statt, auf der fast sämtliche Anwesenden gezogen wurden. Auch ich wurde zur Infanterie geschrieben und erwarte nun täglich meine Einberufung zwecks Ausbildung. Die Fortsetzung der Chronik muss ich somit meinem Vertreter bzw. Vertreterin oder meinem Nachfolger überlassen.


Altenbergen, den 31. Dezember 1914. Konrad Hilgenkamp

1915

Mars regiert die Stunde!

Auf Reklamation des Herrn Kreisschulinspektors Schulrat Ewald bin ich bis hinter die letzte Jahresklasse des Landsturmes I zurückgestellt.

Ersatzreservisten und ungediente Landsturmmänner I und II aufgebots wurden und werden noch eingezogen. Im ganzen hat unsere kleine Gemeinde bis heute ca. 80 Krieger ins Feld gesandt. Von diesen sind bis heute folgende gefallen (Gefallen bis Ostern 1915):

Wilhelm Matheus am 30.08. bei Origny (Frankreich) - Heinrich Finke - Hubert Öbeken - Hubert Voß - Anton Hoppe - Martin Hoppe - Joseph Reineke - Martin Potthast (Rußland) - Heinrich Schröder (Flandern), Ritter des Eisernen Kreuzes II. Klasse

R.i.p.

[linksseitiger Vermerk: gefallen bis Ostern 1915]

Vermißt ist seit Oktober Landw. Jos. Oebeke, Bruder des gefallen Hubert Oebeken. Bei der Durchbrechung des russischen Ringes im Oktober ist er nicht

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zurückgekehrt, so daß auch er wohl nicht mehr unter den Lebenden weilt.

Mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse sind geschmückt:

Karl Ludwig, Heinrich Schröder,
Heinrich Rumann,
Gebrüder Stolte

So hat der Krieg unserem stillen Dorfe schwere Wunden geschlagen, manches Mutterherz (ist im) hat sich in herben Schmerz zusammengekrampft. - Im übrigen merken wir nicht gar zu viel vom Krieg. Während draussen der Lindwurm mit seinen eisernen Füßen Städte und Länder zu Brei stampft, grünen auf unsern Fluren und Feldern prächtig die jungen Saaten, der Himmel den Schein brennender Heimstätten und Siedelungen und weit in die Land pracht, schaut er bei uns wie ehedem friedlich blass hernieder. Glückliches Deutschland, danke Gott, dem tapferen Herrn und seinen genialen Führern, daß die Brandfackel der Verwüstung in deinen Gauen nicht flammt. - das Leben geht hier seinen gewohnten Gang. Ein Mangel an Arbeitskräften ist nicht zu konstatieren. - Die Lebensmittel, besonders die Kolonialwaren steigen langsam aber dauernd. Reis 50 Pfg., Gries 55, Hafergrütze 45 Pfg. - das Brotgetreide ist beschlagnahmt und wird im hiesigen Kreise von 5 Brotgetreideämtern verteilt. Jede Person erhält für den Tag 250 gr. Brot. Für den Landarbeiter ist das wohl nicht hinreichend, doch findet er in Kartoffeln und Fleisch Ersatz. Auch der Hafer ist beschlagnahmt; doch durften die Landwirte für jedes Pferd 3 Pfund pro Tag behalten. -

Der Winter dehnte in diesen Jahr seine Herrschaft auffallend weit aus. Starke Fröste waren nicht zu verzeichnen. -11° war das Höchste. Dafür aber viel um so mehr Schnee. Besonders häßlich war der März. 3 Tage Schneefall mit Frost bis -6°, 3 Tage Tauwetter,

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das war die Regel der Märzwochen. Bedenke man, was bei solcher Witterung unsere Brüder im Felde zu ertragen hatten. Ende März bis Mitte April setzte Regen ein, der die dringenden Feldarbeiten lästig behindert. Viel kostbare Zeit geht verloren, was um so bedauerlicher ist, als allmählig doch die Arbeitskräfte fehlen werden. Auch Frühgemüse und Kartoffeln auf die man sehr rechnet, können nicht in den nassen und kalten Boden gebracht werden. -

Jeden Monat findet eine Sammlung zum besten des Roten Kreuzes statt, die (ungefähr) jedesmal ca. 50 Mark ergibt. - Von der Mädchenklasse wurden in der letzten Zeit 81 Paar Strümpfe für die Krieger gestrickt. Der Monat Mai brachte durchschnittlich gutes Wetter. Mitte Mai setzte eine starke Dürre ein. Die bis Anfang Juli dauerte. Ende Mai zeigte das Thermometer an einigen Tagen bereits 29°C. Unter der Dürre haben unsere hochgelegenen Felder sehr gelitten. Der Boden ist förmlich zu Stein gebacken, der Roggen nahm vor und während der Blüte schon die gelbliche Reifefarbe an; das gut ange... Obst fiel in Masse ab, Stachel- und Johannisbeeren konnten nur durch öfteres Begiessen gerettet werden. Das Kartoffelkraut sieht eigenartig braungrün aus, die Blätter sind teils verkümmert. Der Dorfteich kommt den hiesigen Bewohnern sehr zu statten, zumal das Teichwasser durch Puten und Gänse zu einer wenn auch geringprozentigen Jauche verarbeitet wird.

Bis zum 1. Juli 1915 sind 67 Altenberger einberufen. Die beiden ältesten Kriegsteilnehmer unserer Gemeinde, die Gutsbesitzer Friedrich Meier (Humpert) und Heinrich Graßhoff (Schmiegans), gediente Landsturmmänner sind Ende Juni ausgerückt.

Ab und zu kommt ein feldgrauer Altenberger auf einige Tage in die Heimat. Der Ernst der Zeit, der Stempel ihrer grausigen Erlebnisse ist

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ihren Gesichtszügen ausgedrückt. Doch sind sie alle im echt patriotischen Sinne schweigsam. Die zurückgebliebenen Angehörigen der hiesigen Krieger tragen, so gut es eben geht, Sorge ihnen allen möglicheweise das Los zu erleichtern. Unser Postgehilfe von Bellersen kehrt stets schwer beladen zur Agentur zurück. Die vortreffliche Einrichtung der Pfunds-Feldpost-Briefe wird hier wie überall im hohen Maße benutzt. - An drei Abenden der Woche finden in der Natinger-Kapelle Kriegsandachten statt, die von einigen hiesigen Jungfrauen abgehaltenen werden. -

Am 28. Juni 1915 war in Höxter die Aushebung der Rekruten des Jahrganges 1896. Von den 7 gestellungspflichtigen Altenbergern sind sämtliche 7 angeschrieben.

Am 25. August wurde Herr Lehrer Hilgenkamp einberufen. Die Fortsetzung der Chronik folgt von genannten Tage an von der Lehrerin Rüsenberg. Bis Ende Oktober wurden weiterhin 6 Landsturmmänner und die 7 Rekruten des Jahrganges 1896 eingezogen, so daß die Zahl der von Altenbergen einberufenen 80 beträgt. Den Heldentod starb am 25. September Johann Hasenbein. Am selben Tage geriet Anton Rumann in französische Gefangenschaft. Johann Grothe, Puls der seit Beginn des Krieges im Felde stand, starb im Lazarett zu Straßburg an Typhus. Am 15. Oktober fand in Höxter die Nachmusterung der früher untauglich befundenen Mannschaften statt. Von den 14 Altenbergern wurden 5 angeschrieben.

Die diesjährige Getreideernte ist in Altenbergen verhältnismäßig schlecht ausgefallen. Auf die vorhin erwähnte Dürre folgte Anfang Juni eine siebenwöchige Regenzeit. Das Wenige, das gewachsen war mußte halbnaß und zum Teil

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ausgewachsen eingebracht werden. Die Kartoffelernte dagegen lieferte so reiche Erträge wie seit Jahren nicht. Das Wetter ist andauernd nass-kalt. Am Morgen des
28. Oktober war die Erde bereits von einer 10 cm hohen Schneedecke überzogen. Im November wurden weitere 8 Ldstrm. [Landsturmmänner] eingezogen. Am 30. Nov. fand in Höxter die Musterung des Jahrganges 1897 statt. Von hier wurden 2 angeschrieben.

Im August des Jahres wurde ein Sohn unserer Gemeinde, Herr Lehrer Potthast (angestellt in Bottrop, Kreis Recklinghausen) zum Leutnant befördert, nachdem er im Lockstetter Lager bei Hamburg einen Offizierskursus durchgemacht hatte. Er tut Zugführerdienste beim Landsturm Inf-Reg 99 (Zabern), wo er sich auch das Eiserne Kreuz erwarb.

Lungenkrank kehrte im Herbst der Musketier Franz Hoerdemann zurück. Er kämpfte in den Schlachten bei bei Lüttich vom 12.8.-16.8.1914, bei Namur am 24.8.1914, St. Quentin am 29.-30.8.1914, in den Gefechten bei Montmarion am 4.9.1914, Pt. Morin am 6.-8.9.1914, bei Reims am 12.-26.9.1914, bei Arras am 8.-12.10.1914, bei Agres am 13.10.-19.11.1914, in Flandern 14.-24.12.1914, und bei Neu-Chapelle am 10.3.-14.3.1915.

Todesfälle sind im Januar und Februar [19]16 nicht gemeldet.

1916.

Das dritte Kriegsjahr mit seinen grausen Morden und Blutvergießen ist unangebrochen. Ohne Ende scheint das Elend zu sein, das das unglückliche Europa heimsucht.

Aus unserer Gemeinde sind bis jetzt 90 Krieger ausgezogen. Einberufungen und Todesfälle sind im Januar und Februar nicht zu verzeichnen. -

Unser abgelegenes Dörflein ständig mehr den Einfluß des Krieges auf das deutsche Wirtschaftsleben. Alles wird teurer. Lebend Vieh erreicht geradezu unglaubliche Preise. Fette Schweine wurden pro 100 Kg mit 250 M bezahlt.

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Ferkeln von 6 Wochen kosteten 40-50 M. Rindvieh ist verkauft wurden zum Preise von 7[00]-800 M.- Die Kolonialwaren sind teils nicht zu haben, teils übermäßig teuer. Der Zucker, deutsches Hauptpestand des Lebensmittel-Exportes ist gestiegen 1 kg = 0,64 M. - Reis = 0,80 M., Kaffee Kg = 5,40 M., (Schmier)Seife 1kg 1,70 M.

Die Butter kostete 1 Pfd. 2 M – 2,20 M., Eier 15 – 16 Pfg.

Manches hielt sich ein wenig unter den gesetzlichen Höchstpreisen.

Am 17. März vernahm man in unserem Dorfe das Donnern der Kanonen von Verdun, der jedenfalls vom Massenfeuer herrührte. In der Zeit von ½ 5 – 5 Uhr nachmittags hörte
5 – 6 mal ein ruckweises Dröhnen, wodurch die Detonation von einem Gewitterdonner unterschied. Von anderen hochgelegenen Orten unseres Kreises wird dasselbe gemeldet.

Am 21.3. wurde der Kanonendonner in der Zeit von 2 – 3 Uhr abermals wiederholt vernommen. Es wird indes neuerdings bezweifelt, daß es Kanonendonner von Verdun gewesen sei. (War eine Munitionsfabrik explodiert bei Münster in Westfalen, Deutschland)

Infolge der langen Regenzeit litten die Früchte sehr. Wohl wuchs viel Grass, wohl erreichten die Halme eine beträchtliche Länge, so daß die Kornfelder einen prächtigen Anblick boten, doch wurde die Bestäubung der Blüten arg behindert. Die Folge davon war, daß die Kornernte den Erwartungen bei weitem nicht entsprochen hat. Es war eine schmale Mittelernte in Altenbergen. Noch schlimmer stand es mit der Kartoffel, deren Entwicklung in dem hiesigen kalten Boden durch den Regen gehemmt wurde. Der Ertrag war daher minimal gegen die Erträge der Vorjahre. Doch sind von der Gemeinde noch ca. 650 Ztr. abgeliefert wurden. Im Dezember wurden die Kartoffelbestände nochmals durch Soldaten revidiert. Nach der Revision mußten noch 150 Ztr. abgeliefert werden. (Bravo!)

An der Kriegsanleihe haben sich die Ortseinwohner gut beteiligt, obgleich die Wertbestätigkeit anfangs durch unkluge u. unverständige Äußerungen einzelner

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geschädigt wurde. Diese Klugen bezweifelten die Sicherheit der Anleihe oder glaubten durch eine mangelhafte Anleihezeichnung würde das Ende des Krieges rasch herbeigeführt. Doch mündliche u. schriftliche Aufklärung machte sie verstummen. (1919 steht Kra. auf 77 M statt 100 M Zeichnung! Verlust 23 M pro Hundert)

Das Friedensangebot Sr. Majestät vom 12. Dezember hat aufs Volk augenscheinlich gewirkt. Auch der gewöhnliche Mann erkennt die Absichten unserer Feinde u. weiß, daß sie allein die Verantwortung des ganzen Elendes tragen. Eine Witwe, die einen Sohn auf dem Felde der Ehre verloren, einen zweiten als Kriegsinvaliden zurückerhalten, einen dritten nach zweimaliger Verwundung in der heißesten Feuerlinie an der Somme weiß, äußerte sich folgendermaßen: „Die armen Jungen haben doch jetzt in der Nässe entsetzlich zu leiden. Aber England will noch keinen Frieden. Was die wollen, geht nicht. Wie können wir denn alles wieder herrausgeben? Es kann doch nicht alles Blut vergebens geflossen sein.“ Allgemein sehnen sich die Ortsbewohner nach Frieden, aber nach einem ehrenvollen Frieden. Von Übereilung will niemand wissen. (Rabenmutter!)

Von einer Lebensmittelknappheit kann man hier nicht reden; wenngleich alle sich einschränken, darbt keiner. Der eine oder andere lebt noch im Überfluß, hat den Ernst der Stunde noch nicht begriffen. Zu den hohen Festtagen z.B. werden wie in der Friedenszeit große Kuchen gebacken – und das keine Kriegskuchen –

Die Preise für Lebensmittel sind hoch, doch erträglich. Butter, die auf Fettkarte von der Melkerei Vörden abgegeben wird, kostet 1 Pfund 2,50 M; Eier, die man ebenfalls dort nur gegen Karte erhält, das Stück 22 Pfg.

1 Brot von 6 Pfund kostet 1,10 M. 1 Ztr. Kartoffel kauft man zu 4,00 M.

Die meisten Kolonialwaren sind unerschwinglich teuer aber meist gar nicht mehr zu haben und werden kaum noch vermisst.

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Klagen kann und darf hierzulande niemand. Zu dieser Erkenntnis ist die Mehrheit längst erlangt. Man findet auch allgemein Verständnis für die Lage der Städter, besonders der Industriearbeiter. Darum ist auch ein jeder nach seinen Kräften bereit, deren Los zu lindern. Im Dezember fand zu diesem Zwecke eine Sammlung freiwilliger Gaben an Speck statt, die ungefähr 150 Pfund Speck für die Schwerarbeiter der Städte nach Höxter abführte.

Gefallen sind in diesem Jahre folgende Krieger unserer Gemeinde.

Landsturmmann Anton Maaß am 25. März in Galizien

Reservist Friedrich Stolte am 18.1. bei Schirmeck im Elsaß

Musketier August Matheus am 22.2. in Rußland

Vermißt wird seit dem 20.6. der Grenadier Karl Maßmann, derselbe kämpfte vor Verdun zusammen mit dem Grenadier Anton Weinholz. Von einem Sturm auf die französische Stellung ist er nicht zurückgekehrt.

In französische Gefangenschaft gerieten

der Pionier Johannes Köhne
der Gefreite Joh. Glahn und
der Wehrmann Anton Rumann

In englische Gefangenschaft geriet der Gefreite Johannes Schwarze.

Am Ende des Kriegsjahres 1916 haben wir von den Kriegern unserer Gemeinde 25 als tot zu beklagen.

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1917.

Die vierte Jahreszahl, die mit blutigem Pinsel in die Geschichte der Menschheit eingetragen steht!

Das Jahr 1917 setzte Mitte Januar mit einer strengen Kälte ein, die in abwechselnder Kälte bis Anfang April anhielt. Das Thermometer bewegte sich bei uns zwischen [-]11° und [-]26°. Infolgedessen sind selbst in Kellern manche Lebensmittel wie Kartoffel und Äpfel erfroren. Selbst die menschenscheue Elster kam ins Dorf. Leichen erfrorener bzw. verhungerter Vögel fand man häufig. Der Hasenbestand unserer Felder soll fast gänzlich vernichtet sein.

Der Monat April brachte am Tage Tauwetter, des Nachts fast ständig Fröste, durch die der Saatenbestand der Höhenländer leider stark gelitten hat. Der Mai brachte prächtiges und gedeiliches Wetter. -

Über Lebensmittelnot können wir bisjetzt nicht klagen, wenngleich die meisten Kolonialwaren nicht mehr oder nur in geringen Mengen gegen die im April eingeführten Lebensmittelkarten zu haben sind. -

Auf dem Felde der Ehre fiel am 23. März der Leutnant der Reserve, Lehrer Hubert Potthast, Sohn des Landwirts Heinrich Potthast, gt Schusters. Seit Anfang des Krieges kämpfte er fürs Vaterland zwar anfangs in den Argonnen, wo er am 8. Dez. 1914 verschüttet war. Juni – Juli 1915 nahm er teil an einem Offiziersaspirantenkursus im Lockstetter Lager (Schleswig-Holstein) und wurde August 1915 zum Leutnant der Reserve befördert. Auf den östlichen Kriegsschauplatz versetzt, stand er 1½ Jahr dem Feinde an der kleinen Berisina, einem Nebenfluße der Berisina, gegenüber. An seinem Todestage hatte er als Führer eines Stoßtrupps die Aufgabe, die Stellungen der Russen und das dahinterliegende Dorf Saberesina zu nehmen. Wie sein Hauptmann schrieb, war er der erste am feindlichen Graben und durchschnitt persönlich den Drahtverhau. Ein feindliches Maschinengewehr zwang ihn, mit den seinigen seitwärts zu ziehen und ein in der Flanke des Feindes liegendes Wäldchen zu besetzen. Der Plan gelang. Als er sich nun von Trichter zu Trichter

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an die feindliche Hauptstellung herranarbeitete, traf ihn, als er eben in einen Granattrichter sprang, die feindliche Kugel ins treue Soldatenherz. „Die Kompagnie weinte ohne Ausnahme um ihren besten Offizier.“ schreibt sein Bursche. - Ein jeder, der Lehrer Potthast kennen lernte, schätzte ihn hoch wegen seiner Aufrichtigkeit u. Liebenswürdigkeit. Dabei war er durchdrungen von echt christlicher Frömmigkeit. Seit Ostern 1913 wirkte er als Lehrer zu Bottrop. R.i.p.

Da die Arbeitskräfte im Felde stehen, haben eine Reihe Landwirte Kriegsgefangene in ihren Betrieben beschäftigt. Es sind zur Zeit 5 Franzosen, 1 Belgier und 1 Engländer im Dorfe. Die betreffenden Landwirte sind mit ihnen recht zufrieden. Manche von ihnen besitzen im Gebrauch unserer Sprache bereits eine gewisse Fertigkeit. Den Sonntagsgottesdienst besuchen sie regelmäßig; auch in den Prozessionen sind auch einige von ihnen zu sehen. -

Ende Mai setzte ein[e] starke Dürre ein, die bis Ende Juni dauerte. Infolgedessen blieb das Getreide besonders die Winterfrucht in der Entwicklung sehr zurück, so daß wir an Getreide eine ausgesprochene Missernte haben. Der Durchschnittsbetrag an Weizen wird pro Morgen nicht mehr als 3 Ztr. betragen haben. Auch der Roggen stand schlecht.

Einen Ausgleich der Getreidemissernte führte aber die gute Kartoffelernte herbei. Kartoffeln im Gewicht 1 - 1½ Pfund sind keine Seltenheit. Die Gemüseernte ist gut. Obst gibt es weniger, es ist darum sehr teuer. In früheren Jahren brachten die Obstbäume an den Gemeindewegen bei gutem Ertrage einen Erlös von ca 300 M; in diesem Jahre verkaufte die Gemeinde ihre wenigen Äpfel für rund 1000 M. Der Zentner auf dem Baume wurde teilweise mit 25-28 M verkauft. Der Höchstpreise für Äpfel erster Sorte beträgt 40 M für den Ztr. - Die Lebensmittel sind knapp und teuer, doch hat noch niemand unserer Gemeinde Hunger gelitten.

[Randvermerk links] Im Juni dieses Jahres wurden zwei unserer Kirchenglocken abgeliefert, um für Kriegszwecke Verwendung zu finden. Die größte Glocke war aus dem Jahre 1776, sie zeigte als Verzierung nur die Jahreszahl Anno 1776, die kleine Glocke war aus dem Jahre 1840 und trug als Verzierung etwas Rankenwerk.

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Der Viehbestand ist durch Ablieferung an die Heeresverwaltung auch hier zurückgegangen. Unter den Schweinen räumte Ende des Sommers die Rotlaufseuche sehr auf. So verlor z.B. der Landwirt Glahn 4 schwere Schweine. -

Der Molkereibesitzer Kellner, Vörden hat hier im Dorfe in dem früher Wöstefeldsche Hause einen Nebenbetrieb eingerichtet. Die Kuhhalter sind bei strenger Strafe verpflichtet, die Milch dorthin abzuliefern. 1 l = 16 bis 17 Pfg. 1 Pfund Butter kostet 2,50 M. Für ein kleines Hähnchen zahlt man 2-3 M. Junge Gänse im Alter von 3-4 Monaten sind das Stück mit 20 M bezahlt. -

Auf dem Felde der Ehre fielen außer dem Lehrer Hub. Potthast der Landsturmmann Ant. Glahn im Juli in der Champagne u. der Sanitäter Jos. Struck starb an Typhus in einem Kriegslazarett in Frankreich. -

Am 29. Oktober erfolgte der erste Schneefall in der für die Zeit beträchlichen Höhe von ca. 4 Zentimeter, der bis zum 2. November liegen blieb. Von Mitte November bis Ende Dezember lag tiefer Schnee.


1918.

Die Anfang des Jahres stattfindende Vorsteherwahl hatte das Ergebnis, daß der bisherige Vorsteher Landwirt Johann Unverzagt für weitere 6 Jahre gewählt wurde. -

Die Bedürfnisse des täglichen Lebens steigen andauernd im Preise. Ein Raummeter Holz (= 1/3 Klaffter) kostet durchschnittlich 20 M. 1 Pfund Butter kostet 2,90 M, 1 Ei 25 Pfg; 1 Pfund Pfeffer 40-50 M. Kolonialwaren sind sehr rar, sie werden meist nur gegen amtliche Lebensmittelkarten verabreicht. Seit dem 1. März erhält z.B. jede Person 30g Butter für die Woche. Mit Fleisch sind die meisten Einwohner unseres Ortes wohl versehen, da jeder Haushalt ein oder mehrere Schweine geschlachtet hat.

Knapp und teuer sind sodann Bekleidungsstücke.

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1 Paar Herrenschuhe wurden mit ca 60 M berechnet. Sohlen aus Leder sind kaum noch zu erhalten. Als Ersatz verwendet man Holzsohlen. Eiserne oder lederne Sohlenschoner. Ein paar gute Schnürbänder kosten 1 M. Einen guten Herrenanzug kann man unter 300 M nicht mehr kaufen. -

Auf dem Felde der Ehre fiel im Januar Robert Schröder, Sohn des Schmiedemeisters Robert Schröder, im Juli sein Bruder Heinrich, ferner Johann Weber u. Jos. Struck. Bisher forderte der Weltkrieg von unserer kleinen Gemeinde 35 Opfer.

Im Juni erging seitens der Kriegswirtschaftsstelle an uns die Aufforderung, für die Militärpferde Laubheu zu bereiten. Am 2. Juli fand zu Ottbergen unter dem Vorsitz des Herrn Schulrat Ewald zwecks Aufklärung in dieser Sache eine gut besuchte Versammlung statt. Seitens der kgl. Regierung wurde angeordnet, daß die Schule die Unterrichtszeit in ausgiebiger Weise zum Sammeln des Laubes verwenden sollten. Uns bot die Sammlung anfänglich insofern Schwierigkeiten, als der Besitzer der hiesigen Wälder, Baron Freiherr von Haxthausen Abbenburg uns die Genehmigung zum Betreten seiner Wälder versagte. Ein Bericht an das stellvertretende Generalkommando-Münster meinerseits hatte insofern Erfolg, als gt. Herr durch die Kriegswirtschaftsstelle in Berlin bewogen (sic!!) wurde, die Erlaubnis zu erteilen. Wir waren herzlich froh, nunmehr ungestört arbeiten zu können u. Herr Baron von Haxthausen erfreute sich seines Verdienstkreuzes für Kriegshilfe, das er in jenen Tagen erhielt. Zunächst sammelten wir Laub an der Straße von Altenbergen zur Straße Ovenhausen-Hellersen, da die Straßenbäume zum Herbst sämtlich gefällt werden sollten. Das grüne Laub wurde auf den Böden der Bauernhäuser getrocknet und dann zur Abgabestelle Brackel gebracht.

Wir lieferten ab am 19. Juli 11,25 Ztr.

29. Juli 11,32 Ztr.

9. August 32,04 Ztr.

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19. August 28,50 Ztr.

30. August

10. September

zusammen:

Für 1 Ztr. trockenen Laubheues wurden 18 M an die Schulkinder ausgezahlt. Die Ersparnisse aus den hohen Fuhrlöhnen wurden als Prämie an jene Kinder ausgezahlt, die besonders fleißig gesammelt hatten. Etwa verbleibende Reste wurden unter die Kinder gleichmäßig verteilt.

Die Ernte ist in diesem Jahre im allgemeinen befriedigend, die Sommerfrüchte haben im Mai und Juni durch eine anhaltende Trockenheit gelitten.

Je länger der Krieg dauert, desto größter wird die Zahl der Frauen und Kinder, die vom Industriebezirk herüberkommen, um Lebensmittel zusammen zu suchen. Barfuß und im zerlumpten Kleide wandern sie von Tür zu Tür, um dann die kostbare Habe ca 3 Stunden weit auf dem Rücken zur nächsten Bahnstation zu tragen.

Am 21. Mai wurden von der Herz-Jesu-Pfarre in Bochum 15 Kriegsgastkinder nach Altenbergen geschickt. 3 Kinder reisten wegen Heimwehs vorzeitig wieder ab, die anderen blieben teils bis Ende Juli, teils bis Ende August, teils bis Ende Oktober. Im allgemeinen haben sich diese Kinder recht gut aufgeführt.

Am 1. Oktober wurde der Lehrer Hilgenkamp zur Übernahme einer Lehrstelle an der Präperandie in Warendorf auf 2 Jahre beurlaubt. Mit seiner Vertretung wurde der Schulamtsbewerber Tewes beauftragt.

Vom 28.10 – 10.11. mußte der Unterricht wegen der Grippengefahr geschlossen werden. Am 16.11. wurde hier ein Arbeiter- und Bauernrat gewählt, der sich aus folgenden Mitgliedern zusammensetzt: Bernhard Schmidt, Anton Potthast, gen. Kienecke, Karl Eikelmann, Heinrich Schmidt, gen. Bierbrauer, Frau Therese Balsam,

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Schulfoto von 1919

Otto Kreimeier, Heinrich Reinecke (siehe weiter unten!)

Bei der am 19. Januar 1919 stattgefundenen Wahl zur deutschen verfassungsgebenden Nationalversamlung erhielten das Zentrum 179, die Mehrheitssozialisten 28, die deutsche demokratische Partei 1 Stimme. Bei der 8 Tage später (am 26.1.19) vorgenommenen Wahl zur preußischen Nationalversamlung war das Ergebnis folgendes: Zentrum 190; Mehrheitssozialisten 25; deutsche demokratische Partei 1.

Der oben erwähnte Arbeiter- und Bauernrat wurde höheren Orts nicht anerkannt und an seiner Stelle ein anderer gewählt, der sich aus folgenden Mitgliedern zusammensetzt:

Bauernräte: Arbeiterräte:
Friedrich Meier Hausnr. 53 Friedrich Matheus, Tischler, Nr. 41
August Rosche Hausnr. 47 Johann Maßolle, Bäcker, Nr. 61
Anton Höppner Hausnr. 9 Anton Multhaup, Maurer, Nr. 63
Johann Schwarze Hausnr. 81 Heinrich Hasenbein, Arbeiter, Nr. 13


Zum ersten April wurden 5 Knaben und 4 Mädchen aus der Schule entlassen. Mit Rücksicht auf diese verhältnismäßig große Anzahl der zur Entlassung kommenden Kinder fand eine kirchliche Feier statt.

Am 1. April 1919 wurde der Schulamtsbewerber Tewes mit der Versehung einer Schulstelle im Schulverbande Kaunitz, Kr. Wiedenbrück, beauftragt.



Zum Ende des Krieges bzw. zum Waffenstillstand gibt es keinen Hinweis in der Chronik!


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Quelle: Schulchronik von Altenbergen
transkribiert von Klaus Erdmann


Weblinks

EK-pic.png   Gefallene aus Altenbergen (Marienmünster) im 1. Weltkrieg   EK-pic.png